20. - 23. Mai 2009 - Der Großglockner ruft!

22.Mai 2009

Zell am See – Gerlospass – Zillertaler Höhenstraße – Deutsche Alpenstraße – Garmisch Patenkirchen – Füssen - Illertissen

KM Stand: 46490

Tageskilometer: 446

 

 

Der nächste Tag beginnt – welch Überraschung – mit Kopfweh und tatsächlich Sonnenschein. Sollte dies wieder ein sonniger Motorradtag werden? Ich bin froh, dass die Sonne dieses Mal mein Zelt direkt trocknen kann und ich nicht wieder die vom Tau feuchten Planen einrollen muss. Die beiden Tschechen sind auch schon wieder wach und stehen jeder mit einer Dose Red Bull zum Frühstück rum. Ich war gestern so schlau und habe mir Nespresso an der Tanke besorgt, so komme ich wenigsten halbwegs koffeiniert in den Tag.

 

Inzwischen habe ich Übung im Zusammenpacken und so komme ich relativ schnell, wie gestern pünktlich um 09:00 Uhr vom Platz.

 

Auf dem mir ja schon bekannten Weg nach Mittersill sehe ich schon die ersten schwarzen Wolken vor mir. Mal sehen, wie lange sich das tolle Wetter noch hält, bis jetzt war ich ja, was das betrifft, vom Glück verfolgt. Leider stehen die Wolken genau dort, wo ich hin will – über dem Gerlos – Richtungsänderung nicht möglich also schnell weiter. Als ich gerade bei den Krimmler Wasserfällen anhalte um mich zu informieren, wie man diese am Besten besichtigt, trifft mich der erste Regentropfen. Schade, gerade die Fälle hätte ich gerne angeschaut, wie mir die Besucherinformation jedoch anzeigt, sind diese nur zu Fuß aus der Nähe zu betrachten und auf eine 40-minütige Wanderung im Regen und in Motorradstiefeln habe ich keine Lust. Positiv denken ist die Devise und da ich ja heute noch keinen richtigen Kaffee hatte, nutze ich die Zeit diesen hier zu genießen und zu warten, bis der Regen vorbeizieht.

Nach zwei Kaffee – immer noch Dauerregen und rundherum alles schwarz. Was soll´s, dann habe ich meine neue Regenkombi doch nicht umsonst gekauft. Ich schäle mich also in die knallig orangene Pelle und starte meine erste Regenfahrt auf meiner Tour. Muss das den gerade auf dem Gerlos sein? Nach ca. 500 Metern stehe ich schon wieder – Gerlos Mautstelle. Ich habe mein Ticket ja schon auf dem Großglockner gekauft, also geht alles recht schnell, ich hole mir meinen obligatorischen „Ich-war-da-Kofferaufkleber“ und ab in das Kurvenvergnügen bei Regen. Nach weiteren 10 Minuten war ich auch schon über den Pass, kurz durch einen Tunnel und was erwartet mich auf der anderen Seite? Strahlender Sonnenschein!

 

Die Straßen sind zwar nass, es ist aber weit und breit keine Wolke mehr zu sehen. Da die Regenhaut ja überhaupt keine Luft durchlässt fange ich nach 2 Minuten Fahrt in der Sonne bereits an zu schwitzen – das Ding muss schnell wieder runter! Ich finde eine Aussichtseinbuchtung nach einer Kurve, wo bereits 2 Camper auf Ihren Stühlen die wirklich beeindruckende Aussicht auf das Zillertal genießen und mache mich wieder fit für die Weiterfahrt. Dies sollten wirklich die einzigen 10 Minuten Regenfahrt auf meiner gesamten Tour gewesen sein!

 

Die weitere Fahrt runter in´s Zillertal verspricht richtig schön zu werden. Sonne, Kurven, Almwiesen – so soll es sein! Im kleinen Ort Gerlos mache ich schnell noch einen Tankstopp und checke meine Koffer auf eventuelle Regeneinbrüche. Alles trocken. Da ich meine Regenkombi bevor ich diese wieder in die Koffer packe noch schnell trocknen lassen möchte, bleibt Zeit für ein Schwätzchen mit der Tankstellenbesitzerin. Kaffee gab es gratis dazu – das ist Tiroler Gastfreundschaft.

In meiner Routenplanung hatte ich im Zillertal ein paar Nebenstraßen eingezeichnet, die, falls ich genügend Zeit habe, interessant sein könnten. Zeit habe ich genug, da die Besichtigung der Wasserfälle ja ins Wasser gefallen ist, also fahre ich bis Zell am Ziller um dort in die Zillertaler Höhenstraße einzufahren. Da ich aufgrund der ungenauen Kartenbeschreibung nichts Besonderes erwartet habe (es hätte aufgrund der Linie auch gut eine Schotterstraße sein können…) hätte ich schon nach 500m jubeln können. Um es kurz zu machen, das war sicherlich die schönste Strecke auf der Tour! Langsam und mit unendlichen Kurven windet sich die einspurige Straße durch die Örtchen Schwendt und Heischach den Berg hinauf.

 

Irgendwann kommt man aus der dünnen Bebauung heraus und findet sich inmitten von Tiroler Almwiesen. Es geht lange bergauf, ab und an kommt man an einem Hof vorbei, bis man sogar die Baumgrenze überwunden hat. Das Panoramabild von hier über das Zillertal ist einzigartig. Je höher man kommt, umso mehr lässt zwar das Fahrvergnügen nach, die Landschaft wird jedoch umso beeindruckender. Genauso stellt sich ein Tourist die Tiroler Bergwelt vor. Die Straße wird nach jeder Kurve enger, teilweise mit tiefen Schlaglöchern versehen und ab und an geht es sogar über Gitterstäbe um kleine Bäche zu überqueren.

Ganz oben angekommen gibt es natürlich eine Berghütte mit garantierter Rundum-Aussicht, den hier oben gibt es keinen Baum mehr, der im Weg stehen könnte.

Die Abfahrt wieder zurück nach Zell am Ziller ist mindestens genauso schön, nur die Aussicht, dass man bald wieder in der Zivilisation fahren muss, trübt das Ganze ein wenig.

 

Die Weiterfahrt durch das Zillertal wieder Richtung Achensee ist relativ unspektakulär, ja sogar ein wenig enttäuschend, da man ja so eine gewisse Vorstellung von dem berühmten Tal hat aber letztendlich auf einer Bundesstraße durch dicht bebautes Gebiet fährt.

 

Schnell bin ich wieder in Achensee, nur dass ich dieses Mal am See vorbeifahre um auf die Deutsche Alpenstraße zu gelangen. Ab hier habe ich meine Tour nur noch grob geplant, es heißt also immer wieder mal auf die Karte schauen. Tagesziel ist ja Reutte oder Füssen und das mit möglichst vielen kleinen Straßen zu erreichen.

 

Bei Achenwald überquere ich wieder die Grenze und stehe gleich dahinter mit einigen anderen Motorradfahrern auf der Staustufe des Sylvenstein Stausees. Ausblick schön, habe aber schon schönere Stauseen gesehen. Hier muss ich mich entscheiden. Fahre ich weiter nach Bad Tölz oder doch Richtung Garmisch? Augrund der doch zunehmenden Bewölkung beschieße ich jedoch nicht all zu große Umwege zu nehmen und fahre entlang des Stausees die deutsche Alpenstraße entlang Richtung Garmisch.

 

Bei Vorderriß endet die Straße plötzlich auf einem Parkplatz, auf welchem ein paar Busse stehen und ich frage mich, wo es denn hier weitergeht. Ein Busfahrer sieht meine Ratlosigkeit und zeigt auf eine kleine einspurige Brücke, die aussieht als würde sie maximal ein paar Fußgänger tragen. Außerdem prangt davor ein Schild mit der Aufschrift „Privatstraße“. Ich sehe jedoch auch den Wegweiser der Deutschen Alpenstraße und fahre darüber. Gleich hinter der Brücke steht ein kleines Holzhäuschen mit einer Schranke. Maut? Hier? Wo bin ich überhaupt? Der Mann im Häuschen erklärt mir, dass dies von hier aus der einzige Weg auf die nächste Bundesstraße ist, knöpft mir 3 Euro ab und wünscht mir eine schöne Fahrt. Jetzt bin ich aber gespannt ob sich die Maut lohnt!

 

Sie lohnt sich! Auf ca. 20 km fährt man auf einer schmalen aber neu asphaltierten kurvenreichen Straße durch das Isartal. Ich bin im Motorradhimmel! Rechts gehen steile Felswände hoch, auf der linken Seite bietet sich ein spektakulärer Ausblick auf das Flussbett der Isar. Ich habe das Gefühl durch den Grand Canyon zu fahren oder mit Winnetou durchzureiten. Die Isar ist hier nur noch ein schmaler Fluss, hat sich aber im Laufe der Jahrtausende langsam durch den Felsen gefressen und ein breites Schotterbett mit vielen kleinen Inseln hinterlassen. Wieder eine sehr schöne Überraschung was die Fahrstrecke betrifft. Da zwar genau über mir die Sonne scheint, rund um mich aber schwarze Wolken aufziehen, beschließe ich Garmisch auf schnellstem Wege zu erreichen. Die Fahrt geht über – im wahrsten Sinne des Wortes „malerische“ Dörfer, denn hier hatte der berühmte bayrische Maler Lüftl seine Heimat und so ist fast jeder Bauernhof mit der berühmten Lüftlmalerei versehen.

Kurz vor Garmisch sehe ich schon eine breite Gewitterfront, ich komme aber nicht umhin, schnell an der großen Schisprungschanze halt zu machen, wenigstens fürs Foto. Hier toben schon die ersten Gewitterstürme und da es an der ganzen Schanze keinen Unterschlupf gibt, fahre ich so schnell es geht nach Garmisch rein. In der Innenstadt sehe ich rechts eine kleine verkehrsberuhigte Straße mit überdachten Straßencafes. Schnell runter vom Bock, den Tankrucksack mit einer Regenhaube abgesichert und unter den Schirm. Glück gehabt! Genau in dem Moment, als ich mich setze, geht das Gewitter los. Ich bestelle mir in aller Ruhe einen Kaffee und beobachte den Wolkenbruch. Nach 20 Minuten ist der ganze Spuk vorbei und das Gewitter zieht Richtung Österreich – perfekt, es geht weiter.

Da ich heute noch Neuschwanstein auf dem Plan habe geht es zügig wieder zurück nach Reutte, über den Fernpass nach Füssen und von dort folge ich der Ausschilderung „Königschlösser“. Die Sonne scheint und eigentlich habe ich mein Tagesziel schon erreicht, also lasse ich es ruhig angehen und cruise gemütlich durch das Allgäu. Das Schloss Neuschwanstein ist schon von Weitem zu sehen, aber irgendwie führt mich die Ausschilderung immer weiter davon weg. Abbiegung verpasst? Bald aber wird mir klar warum. Ich komme nach Hohenschwangau und befinde mich plötzlich mitten in einem der größten Touristenzentren Deutschland.

 

Dass die Schlösser ja die deutsche Hauptattraktion für Asiatische Touristen sind (Deutschland = Neuschwanstein und Heidelberg!) wusste ich ja schon, aber was hier los ist hätte ich ohne es zu sehen nicht geglaubt. Am Fuße der Burg Hohenschwangau wurde so etwas wie „Little Bayern“ nachgebaut. Unzählige Touristenläden, Biergärten, Pferdekutschen, Lederhosenshops usw. Die Asiaten sind im Glück! Ich halte mich ein wenig davon fern, parke mein Motorrad neben geschätzten 90 anderen und erklimme die Stufen zur Burg. Der Ausblick auf das Märchenschloss Neuschwanstein von da oben ist herrlich und auch der Schlossgarten ist eine Attraktion für sich.

Übrigens ist Neuschwanstein nur von dort aus und für Touristen auch fast nur per Wanderung zu erreichen, deshalb die Verwirrung bei der Anfahrt.

Ich habe genug gesehen, schön war’s, jetzt aber muss ich wieder eine Entscheidung treffen. Geplant war, hier in der Nähe zu übernachten. Im Süden sehe ich aber schon wieder Gewitterwolken und Richtung Norden scheint die Sonne. Da es erst 17:00 Uhr ist, beschließe ich einfach so lange Richtung Autobahn zu fahren, bis ich die Wolken hinter mir gelassen habe.

 

Bei Kempten fahre ich wieder auf die A7 und mit hohem Tempo geht es Richtung Ulm. Auf einem Parkplatz konsultiere ich einmal meine Karten, denn irgendwann werde ich einen Campingplatz brauchen. Bis nach Hause komme ich heute nicht mehr. Den nächsten Platz abseits der Autobahn sehe ich bei Illertissen – Schreck, das ist ja fast schon in Ulm. Was soll’s, je mehr Kilometer ich schaffe, umso früher bin ich morgen zu Hause. Bei Illertissen fahre ich also ab und schon bald sehe ich die ersten Schilder „Camping“ . Wieder einmal Glück gehabt. Die Gegend sieht zwar nicht besonders reizvoll aus, verwöhnt durch das Bergpanorama der letzten Tage fühlt es sich schon fast komisch an, hier übernachten zu wollen, ich beschließe aber heute nicht wählerisch zu sein – Hauptsache ich kann ruhig schlafen.

Die Schilder führen mich wieder aus dem Ort raus auf eine schnurgerade Straße durch Weizenfelder. Irgendwann nach ca. 3 km muss ich in einen Feldweg abbiegen und noch mal 2 km an Feldern vorbei. Plötzlich taucht vor mir ein See auf und hinter einem Pappelwald sehe ich den Campingplatz – oder besser gesagt eine Wohnwagenburg, eine Siedlung, ein Schrebergarten, Klein Holland, was auch immer – riesig groß und eigentlich genau das, was ich immer vermeiden wollte…

 

Ich checke um 19:30 Uhr ein und sehe, dass ich wieder einmal Glück hatte - in einer halben Stunde wäre das nicht mehr möglich gewesen! Der Campingwart weißt mich an, dass ich mir nur auf der eigens freigehaltenen Zeltwiese ein Plätzchen suchen darf und ich stelle fest, dass ich eigentlich die ganze Wiese für mich habe. Kein Wunder, wer schlägt schon gerne sein Zelt in solch einer Trabantenstadt auf..

 

Leider gibt es wieder keine Einkaufsmöglichkeiten und so muss ich noch vor dem Zeltaufbau schnell die 5 km zurück in das Dorf, da die Geschäfte dort auch schon um 20:00 Uhr schließen. Da es ja schon recht spät ist, entscheide ich mich mir nur schnell ein paar Brötchen und etwas zum Belegen zu kaufen, 2 Bier dazu und mein Nespresso zum Frühstück, das sollte reichen.

Zurück auf dem Platz baue ich schnell mein Zelt auf – natürlich dort, wo die Sonne morgens hinscheint – und suche die Dusche. Da ich mich hier auf einem sehr modernen und vor Allem streng organisierten Platz befinde (der deutsche Camper braucht Regeln!!) komme ich überall nur mit einer Chipkarte rein. Natürlich vergesse ich diese prompt und laufe so zweimal den langen Weg zur Dusche. Dort werde ich von einem Mann, Marke Berliner Dauercamper, erst einmal ermahnt, die Duschräume nur mit Badelatschen zu betreten – als ob ich so was auch noch mitschleppen würde! Geht´s auch barfuss? Na wenigstens kostet hier Warmwasser nicht extra!

 

Frisch geduscht belege ich mir meine Brote, klaue mir vor einem unbewohnten Wohnwagen einen Stuhl und genieße den letzten Abend meiner Tour vor dem Zelt während ich die Dauercamper beobachte. Ein Platz im Kino könnte jetzt nicht besser sein!