Schottlandtour 2019

Tag 5

08.07.2019

Balmacara Camp -  Gairloch

 Tageskilometer: 178 km

Ich habe super geschlafen, draußen scheint die Sonne und.. es fliegen jede Menge Midges rum! Heute geht es über den Applecross Pass. Eigentlich heißt der Pass ja Bealach na Ba, aber weil er der einzige Weg zur Applecross Halbinsel ist wird er eben nur Applecross oder manchmal auch Cattle Pass genannt. Was habe ich für Stories über den Pass gelesen..schmal, steil, schlammig – aber heute scheint die Sonne und ich freue mich darauf. Genügend Passerfahrung habe ich ja inzwischen gesammelt, ich mache mir nur Gedanken über den Verkehr am Montag morgen.

Um es aber kurz zu machen – es war der Wahnsinn – im positivsten Sinne. Ich war komplett alleine auf dem Pass und habe genau 3 Autos gesehen! Ok, es war erst 08:30 Uhr.. aber ich habe die Fahrt soooo genossen. Natürlich musste ich auch die berühmten Bilder machen, bin dafür aber ein wenig zu weit gefahren und durfte dafür ein Stück zurücklaufen. Es lohnt sich definitiv dort oben ein wenig herumzuwandern. Die Aussicht in alle Richtungen ist unbeschreiblich. 

An der Auffahrt zum Applecross
An der Auffahrt zum Applecross

Natürlich lasse ich es mir nicht nehmen im berühmten „Applecross Inn“ einzukehren. Für Fish & Chips ist es noch ein wenig früh aber die nette Betreiberin des Pubs verspricht mir „the best Cappuccino oft the day“. Recht hat sie und ich genieße diesen draußen mit dem „best view of the day“ – zumindest bis dahin, 10:00 Uhr. 

Danach folge ich weiter dem West Coast Trail 500 und es geht gerade so weiter. Unglaublich schöne Landschaft, sattes grün überall auf der einen Seite und strahlend blaue Küste auf der anderen. Es ist immer noch kaum Verkehr auf der Single Track Road und langsam versöhne ich mich wieder nach der Fahrt zum Leuchtturm mit diesen Straßen.

Ab und an bleibe ich für ein paar Bilder stehen – hier muss man schon schauen, dass man überhaupt vorankommt, weil man alle 500 m stehen bleiben möchte. Gegen 12:00 Uhr mache ich noch ein Picknick in der Einsamkeit der Hochebene, welches mich ein wenig an meine Norwegenfahrt erinnert.

Ich bin froh, dass ich mir heute einen halben Ruhetag gegönnt habe und bin schon um 13:00 Uhr auf meinem Campingplatz in Gairloch. Ursprünglich hatte ich einen Platz außerhalb von Gairloch am Strand ausgesucht, bin aber doch Svenduras Tipp gefolgt und den Platz mitten im Ort angefahren. Er entspricht genau ihrer tollen Beschreibung: der größte Teil ist Zeltwiese, keine Caravans, die ganze Fläche gepflegter weicher Rasen und ein super Ausblick auf das Meer. Ich baue mein Zelt an einer Bank auf und bin jetzt ganz wild darauf eine Wanderung zu unternehmen. 

Die nette Betreiberin empfiehlt mir kurzerhand einen „One hours walk to a viewpoint“ und nach kurzer Beschreibung, weil der Weg nicht ausgeschildert ist, mache ich mich auf den Weg, den Berg immer im Blick. Kurz hinter dem Campingplatz erreiche ich schon eine Schafwiese, die ich überqueren soll. Nachdem ich mehrere Gatter überstiegen habe (ich glaube, davon hat sie nichts gesagt?) stehe ich plötzlich im schönsten Hochmoor Sumpf. Ich brauche eine Weile und ein paar Umwege bis ich mich selbst gerettet habe und endlich den steilen Berg in Angriff nehmen kann. (Wer meint, er könnte im Hochmoor Schafwegen folgen irrt – die Viecher laufen auch nur auf den kleinen Erhebungen, sind aber leichter und wahrscheinlich erfahrener in der Fortbewegung im Moor..)

 

 Ich suche mir selbst den besten Weg und laufe durch mannshohe Farnwälder, große Gesteinsbrocken und immer weiter den Berg fast umrundend rauf, bis ich endlich am Viewpoint stehe. Zur einen Seite hat man einen schönen Ausblick auf Gairloch, die Küste und den Campingplatz, der Blick auf die andere Seite ist aber spektakulär. Man schaut direkt auf einen kleinen Bergsee mit Zufluss und rundherum grüne Moorlandschaft, eingerahmt von Bergen. Ich sitze eine geschlagene halbe Stunde und glotze in die Landschaft. Man hört keinen Ton und ist sofort total entspannt!

Schau nicht so sauer, bin gleich weg!
Schau nicht so sauer, bin gleich weg!
Was für eine Ruhe!
Was für eine Ruhe!

Der Abstieg geht dann schneller, weil man von oben kleine Pfade erkennen kann und nicht blind durch die Gegend läuft. Auf dem Platz gehe ich erst einmal duschen. (Ist das wirklich meine erste warme Dusche in Schottland??) und erkunde gleich danach den Ort. Ich sehe ein Pub direkt hinter dem Campingplatz, check, einen Fish & Chips Laden, wo ich heute essen möchte, check, und setze mich im „Hillibillies bookstore Trading Office und Mountain coffee“ auf die Terrasse. Dieser Laden verdient es erwähnt zu werden! Die verkaufen eigentlich Bücher, aber auch Schokolade, Kaffee & Kuchen, Souveniers, Kitsch – ein unglaubliches Sammelsurium an Angeboten, total durcheinander arrangiert und auf jeden Fall witzig und sehenswert. Hier arbeiten junge coole Leute, Bergsteiger und Surfer, wie sich herausstellt, mit denen man ganz schnell ins Gespräch kommt. 

Danach richte auf dem Zeltplatz schon einmal alles für den morgigen Tag und begebe mich in das örtliche Pub. Um 17:00 Uhr macht es auf, um 17:10 Uhr bin ich dort – und es ist voll! Ich bestelle ein Pint Tennant (das einzige Bier, dass ich mittlerweile kenne und aussprechen kann) und sehe, dass es hier free Wlan gibt. Wie sich in den nächsten Tagen herausstellt, ist dies in den Schottischen Pubs gang und gebe! Also doch noch einmal soziale Kontakte pflegen.. mit den Locals ins Gespräch kommen wäre ja jetzt auch zu blöd..

Jetzt will ich endlich Fish & Chips essen! Ich gehe zu dem Laden um die Ecke und sehe eine Schlange von 20 Metern! Ich denke „Wow, da ist ja nicht mal ein Starbucks drin“ -  Muss ja gut sein!

Nach 20 Minuten bin ich an der Reihe und als die alte Dame hinter dem Tresen fragt. “What would you like to order, sweetheart“ hat sich das Warten schon gelohnt! Die Dame arbeitet in dieser winzigen Küche mit einem Koch, der letztendlich nur Fisch frittiert während sie die Bestellung aufnimmt, kassiert , Chips frittiert, alles verpackt, Getränke verkauft und rausgibt -  und das alles mit einer rührigen Freundlichkeit, dass einem das Herz aufgeht. Ich setze mich an einen der 5 kleinen Tische, esse meinen Fish und könnte stundenlang dem Treiben zusehen.

Danach begebe ich mich auf einen kleinen Verdauungsspaziergang und lande doch noch einmal im Pub. Die etwas in die Jahre gekommene aber immer noch attraktive Barfrau erkennt mich gleich wieder und ein Daumen nach oben reicht um ein Tennant zu bestellen. Im Hintergrund spielt Billy Joel, ein paar Gäste spielen Pool Billiard und die Stammgäste am Tresen führen Gespräche, die wahrscheinlich auch ein Engländer nicht verstehen würde. Dieses Gälisch ist schon eine interessante Sprache und hat aber auch gar nichts mehr mit dem Englisch zu tun, was wir gelernt haben.

 

 

Das hier ist wirklich ein eigenartig angenehmer und entspannter Ort, obwohl einiges los ist. Oder liegt es daran, dass ich wirklich im Urlaub angekommen bin und irgendwie alles schön finde und genieße?

Wahrscheinlich ist das so, ich habe schon seit 2 Tagen keine Wetterapp mehr angeschaut..