Schottlandtour 2019

Tag 6

09.07.2019

Gairloch -  Scourie

Tageskilometer: 180

Das wird ein doofer Tag!

Wenn man um 03:30 Uhr aufwacht, weil dass Tennant vom Vortag dringend mal raus muss, man feststellt, dass es schüttet und man bei dem nächtlichen Ausflug die Nässe und jede Menge Gras ins Zelt reinschleppt  - wie soll der Tag schon werden?

 

 Ich schlafe noch bis halb sieben und überlege dann, wie ich bei dem Regen alles halbwegs verpackt bekomme.  Wer schon mal mit Motorrad und Zelt unterwegs war weiß, wovon ich spreche. Dazu benötigt es einen Plan und ein wenig „leichte-Regenpause-Glück“. Gott sei Dank habe ich gestern schon meinen Camping-Verpflegungs-Koffer an das Motorrad gehängt, trotzdem ist es ziemlich mühsam Motorradklamotten und Regenzeug im Zelt anziehen, Schlafsack & Co leicht feucht zusammenpacken und schon mal in der Packtasche verstauen, „Klamottenkoffer“ zum Motorrad bringen, Zelt klitschnass abbauen und in die Packtasche, aber natürlich darauf achten, dass der Schlafsack nicht noch feuchter wird.. Die Regenklamotten bringen spätestens jetzt gar nichts mehr, weil man total verschwitzt ist!

Ich schaffe das ganze in 45 Minuten und fahre Richtung Durness los. Gott sei Dank ist die Straße zweispurig und ohne Verkehr, man kann sich also halbwegs darauf konzentrieren, was man zwischen dem Wasser auf dem Visier erkennt. Anfangs gibt es sogar kurze Regenpausen und man sieht ein wenig von der tollen Landschaft.

In Ullapool regnet es wieder heftig und ich muss dringend tanken. Mittlerweile ist das aus- und anziehen der Handschuhe eine Tortour und ich beschließe spätestens jetzt den Umweg über Lochinver nicht zu machen und erst gar nicht nach Durness zu fahren, weil es dort außer dem Campingplatz wohl nicht viel gibt. Neues Ziel ist Scourie, in der Hoffnung, dort ein B&B zu bekommen.

  

Bei Ardvreck Castle halte ich doch noch um ein paar Bilder im Regen zu machen und bereue es schon wieder, die Handschuhe ausgezogen zu haben. Der Witz ist, die halten eigentlich trocken, wenn man aber ständig die nassen Hände da reinpresst nutzt das ganze GoreTex nix.. 

Ardvreck Castle bei schönstem Schottischem Wetter
Ardvreck Castle bei schönstem Schottischem Wetter

Ardvreck Castle im Loch Assynt ist von der Straße aus kaum zu sehen und außer ein paar Mauerreste sieht man eigentlich auch nix. Trotzdem hat die Ruine etwas total mystisches, gerade bei dem Wetter! Passt zu der Geschichte um die Burg und MacLeods Tochter und den Teufel! Wen die Geschichte interessiert: https://www.myhighlands.de/ardvreck-castle-macleod-seine-tochter-und-der-teufel/

Apropos Regen.. habe ich eigentlich schon erwähnt, dass es in den Highlands bei Schlechtwetter nirgendwo einen Unterstand zu finden gibt oder gar die Möglichkeit einen Kaffee im trockenen zu schlürfen? Es gibt keine Hütten, keine Carports, kaum Bushaltestellen, ja nicht einmal Vordächer haben die, selbst die meisten Tankstellen haben keine Dächer. Komisch, in einem Land das für seinen Regen berühmt ist..

 

Wie auch immer, in Scourie steuere ich den Campingplatz and und laufe triefend nass in das dortige Pub. Hier gibt es endlich 2 Kaffee und ich wärme mich eine halbe Stunde auf, während ich meine Optionen für den Tag checke. Während ich gerade in Selbstmitleid schwelge kommen 4 Radfahrer rein und so wie die aussehen und zittern wird mir klar, dass ich es auf meinem Motorrad mit den warmen Klamotten richtig gemütlich habe. 

Ich frage die Bedienung nach einem B&B, worauf sie mir einige um die Ecke empfiehlt, die aber dann doch alle das Schild „no vacancies“ draußen haben. Erst nach der dritten Runde durch den Ort nehme ich das kleine Hotel wahr.. 4 Sterne, ich denke „was solls, fragen kost nix..“ Ich laufe in voller Montur mit Helm auf dem Kopf in den englischen Salon rein und frage nach einem Zimmer. Die alte Lady  ist super freundlich, ist sich aber nicht sicher, ob sie noch was frei hat.. meine Hoffnung auf ein trockenes Zimmer schwinden. 5 Minuten banges Warten, während ich große Pfützen auf dem dicken Teppich hinterlasse, bis sie zurückkommt und meint, sie hätte nur noch einen Single room. Ich sage „take it!“ , Sie sagt „100 pounds, breakfast included“, ich sage „take it!“, sie sagt “we even have a drying room” Ich sage: “ I love you, mam” 

Das Scourie Hotel - mein Regenunterschlupf
Das Scourie Hotel - mein Regenunterschlupf

Um es kurz zu machen, das Hotel (https://scouriehotel.com/) ist gerade während meines Tiefpunktes jeden Cent / Penny wert. Die ganze Ausstattung wie aus einem britischen Country Magazin, Kamine, Plüschsofa, dicker Teppich, Hirschköpfe, frische Blumen, Bücherregale – ich fühle mich auf Anhieb sauwohl! Nachdem ich mein Zimmer bezogen habe (marvellous!!!), und meine nassen Sachen in den „drying room“ bringen durfte mache ich mich, da es nur noch leicht regnet, auf eine kleine Wanderung zum Strand und zu einem alten Militärfriedhof. Ich mache Bilder von schottischen Hochlandrinder, Grabsteinen und jeder Menge hübscher Häuser und Vorgärten. 

Als es wieder heftig zu regnen beginnt setze ich mit meinem Buch in die Lobby, wo die Lady schon den Kamin angemacht hat. „It is quite warm, but it does make you feel better!” Wie recht sie hat! Ist das gemütlich! Und schon hat sich der doofe Tag in einen richtig schönen verwandelt..

  

Abends gibt es dann noch in der urgemütlichen Bar Venisson Burger und ein paar Pints während ich meine Strecke für den nächsten Tag umplane. Durness ist aufgrund der weiteren Regenprognosen im Norden gestrichen und ich plane eine entspannte Fahrt nach Fort August, wo die Wetteraussichten besser sein sollen. 

Wie so oft auf meinen Fahrten, auch wenn es ein wenig kitschig klingt: „Wenn Du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“. Heute vormittag war sicherlich ein kleiner Tiefpunkt und ich war total genervt weil ich das geplante Highlight meiner Reise, der Tag am Strand in Durness, nicht erreicht habe. Aber dieses süße Hotel und die netten Leute dort haben den Tag in ein Highlight verwandelt.